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Ritalin wird in der Szene als Speed angeboten. Speed kann Schäden im Bereich der Hirnsubstanz und damit bleibende psychische Defekte erzeugen

Ritalin ist im Sport nicht zugelassen - besonders in Internationalen Wettkämpfen (Doping)

Ritalin
in Kombination mit anderen Drogen kann zu Vergiftungen (Intoxikationen) führen



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Gestörte Beziehungen als Auslöser von Verhaltensauffälligkeiten und die Korrektur durch Halten und Halt geben bei älteren Kindern und Jugendlichen mit aggressivem Verhalten in der Schule.

Oder eine Möglichkeit auf Psychopharmaka zu verzichten!

Von Edeltraut Schmid, Lehrerin

Gesamter Artikel Gestörte Beziehungen..." als PDF zum Download
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Vorbemerkungen

Schon immer gab es an den Schulen Kinder mit aggressivem Verhalten. Jahrhunderte lang wurde versucht über Züchtigung und Strafe Kinder eines besseren zu belehren. Erst mit der Errichtung des Sonderschulwesens gab es eine grundlegende Wende. Seit dieser Zeit gibt es immer wieder neue Methoden von Erziehungsstrategien, die jedoch kaum eine wirkliche Lösung der Gesamtproblematik bringen, da sie fast ausschließlich auf das Kind gerichtet sind. Eine grundlegende Weiterentwicklung und Besserung wird es solange nicht geben, wie Beziehung und Erziehung nicht im Kontext gesehen werden.
     

Als Schulleiterin einer Förderschule und eines Kooperativen Förderzentrums für Erziehungsschwierige erlebe ich immer mehr erziehungsschwierige Kinder mit erheblichen Lernrückständen, die trotz durchschnittlicher Intelligenz den Anforderungen einer Regelschule nicht gewachsen sind.
Die Ursachen sind vielschichtig und enden oft in einem unüberwindbaren Kreislauf von verhängnisvollen Verstrickungen. Auf störende Ereignisse im Umfeld reagieren betroffene Kinder mit Mängel in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Findet in folgenden Interaktionen die Individualität des gestörten Kindes nicht im erforderlichen Umfang Beachtung, d.h., wird nur am Symptom „Kind“ und nicht an den eigentlichen „Verursachern“ gearbeitet, so treten eine Verschärfung und die Ausweitung der Gesamtproblematik ein.
Der begonnene Kreislauf erfährt eine höhere negative qualitative und quantitative Form, was die Zunahme unangepasster Verhaltensweisen zur Folge hat.
Mit Beginn der Einschulung sehen sich die defizitär entwickelten Kinder zusätzlichen Problemen ausgesetzt, da sie wegen der bestehenden Persönlichkeitsstörung nicht normal am Unterricht teilnehmen können. Spätestens hier muss Schule von üblichen Wegen abweichen.

Meine Erfahrungen aus der Praxis belegen jedoch, dass vor allem mit dem Eintritt in die Schule bei vielen verhaltensauffälligen Kindern eine massive Verschärfung der Verhaltensstörung einsetzt. Mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger eine Korrektur des Verhaltens zu erreichen. Immer mehr Kinder und Jugendliche treten massiv aggressiv in Erscheinung, bleiben der Schule fern und erreichen keinen Schulabschluss. Viele rutschen ins kriminelle Milieu ab und sind kaum in der Lage ohne Hilfe ein eigenständiges gewaltfreies Leben zu führen.

Die im Laufe der folgenden Schuljahre eingesetzten erzieherischen Maßregeln, wie sie bestehende Schulgesetze bei Fehlverhalten fordern, oder auch andere Maßnahmen, wie die Vorstellung beim Psychologen, eine Einweisung in die Psychiatrie, die Einnahme von Neuroleptika, eine Einweisung in ein Kinderheim usw. bringen selten den gewünschten Erfolg.

Ich erlebe in meiner Arbeit, dass diese Kinder und Jugendlichen zunehmend äußerst orientierungslos und misstrauisch sind. Je größer die bestehende Persönlichkeitsstörung ist um so schwieriger gestaltet sich ein Beziehungsaufbau. Dieser ist jedoch nötig, um korrigierend eingreifen zu können.
Ein Kind, welches aufgrund schwierigen Verhaltens verschiedene Heime und Schulen erlebte, hat mehrfach Bindungsabbrüche erfahren. Zu seinem Schutz verhält es sich gegenüber jedem neuen Beziehungsaufbau abwehrend und destruktiv.

Über die vorbehaltlose Annahme dieser Kinder mit all ihren Schwächen, auch in der zerstörerischen Wut und über das Einfühlen in ihre verletzte Seele, ist es mir gelungen, Zugang zu ihnen zu finden. Das Halten in der Wut bis die Liebe fließt, schafft Vertrauen und wird zur Grundlage korrigierender Verhaltensweisen.

Kinder und Jugendliche mit aggressivem Verhalten in Beziehungskrisen

Im Folgenden geht es um Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihres andauernd aggressiven Verhaltens als „Unverbesserliche“ gelten. Es sind überwiegend Kinder und Jugendliche aus chaotischen und desorganisierten Familien, in denen Konflikte gewaltsam „gelöst“ oder ausgesessen wurden. Aber es sind auch die Kinder und Jugendliche, die aus scheinbar intakten Familien kommen, deren kleinkindliche Entwicklung durch erzieherisches Fehlverhalten der Eltern noch gut korrigierbar wäre, wenn es nicht zusätzlich Beziehungsstörungen in Kinder- und Schuleinrichtungen gegeben hätte. Aus den mir vorliegenden ist ersichtlich, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen seit Jahren in aggressive Interaktionen involviert waren und somit die Persönlichkeitsentwicklung anhaltend negativ beeinflusst wurde. Ihre Wahrnehmung der Selbst- und Fremdreflexion ist gestört, weshalb sie ohne konstruktive Hilfe keine Beziehungen eingehen können. Ohne tragbare Beziehung greift jedoch keine erzieherische Maßnahme. Viele der Kinder haben zahlreiche „Heim- und Schulkarrieren“ hinter sich, d. h., dass sie in den letzten Jahren einen ständigen Wechsel der Bezugspersonen erfahren haben.

Aufenthalte in Psychiatrien, Verhaltenstraining, besondere Beschulungsformen und bei einigen Kindern letztlich die Empfehlung der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung sind vergangene kostenintensive Maßnahmen, die jedoch nicht zu einer Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung führten. Fehlverhalten wurde „abgemahnt“ oder über Sanktionen „geahndet“. Es wurde aufgezeigt, welche Norm erwartet wird, jedoch nicht, wie das Kind sich Handlungsstrategien erwerben kann, um diese Norm zu erreichen. Eine Vielzahl von Verweisen zeigt zwar Fehlverhalten auf, weist jedoch nicht dem Kind den Weg, den es beschreiten muss, um dieses Fehlverhalten einzustellen.

Immer wieder erlebe ich, dass bei Kindern mit aggressivem Verhalten allein, d.h. ohne Begleitung durch eine akzeptierte Bezugsperson, über Anreize oder Androhung von Strafen an der Verbesserung seines Verhaltens gearbeitet wird. Das bedeutet, dass erwartet wird, dass das Kind durch den in Aussicht gestellten Anreiz und / oder aus Angst vor Strafe sich selbst steuern müsste. Das ist jedoch aufgrund bereits genannter fehlender Ressourcen nicht möglich. Es tritt also ein Umkehreffekt ein. Das Kind kann aufgrund vorhandener Störungen nicht das Ziel erreichen und es kommt ohne Hilfe von außen aufgrund fehlender Ressourcen immer wieder zu Fehlverhalten.


 
 

Zum Verständnis dazu zwei Beispiele:
Fallbeispiel 1
Eine Mutter verspricht ihrer 14 jährigen, nikotinabhängigen Tochter neue Kleidung zu kaufen, wenn sie das Rauchen aufgibt. Wenn sie jedoch weiter raucht, wird das Taschengeld gekürzt. Die Tochter verspricht in Aussicht auf die neuen Sachen, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie hat den ehrlichen Vorsatz, erliegt aber in Gemeinschaft der Gruppe der Versuchung und raucht heimlich weiter. Aus Angst vor weniger Taschengeld versichert sie der Mutter, dass sie nicht mehr raucht. Die Mutter traut der Tochter nicht und äußert wiederholt, ihre Tochter würde nach Rauch riechen. Aus Misstrauen durchsucht sie die Taschen und findet Zigaretten. Die Mutter fühlt sich betrogen und nicht mehr respektiert. Die Beziehung erfährt eine schwere Störung.

Die Mutter setzte Anreiz und Strafe ein, um ihre Tochter vom Rauchen wegzubringen. Ihre schon nikotinabhängige Tochter stielt Geld, um sich heimlich Zigaretten zu kaufen. So entgleitet die Tochter immer mehr dem Einfluss der Mutter. Liebe und Respekt gehen verloren.

Fallbeispiel 2
D. erscheint häufig in der Schule ohne notwendige Schulmaterialien und Hausaufgaben. Er bekommt Einträge, die er nicht unterschreiben lässt, weil er Angst vor Strafen des alkoholabhängigen Vaters hat. In der Klasse wird er von der Lehrerin vor seinen Mitschülern gerügt und erhält einen erneuten Eintrag mit dem Hinweis, wenn er am nächsten Tag ohne Unterschrift kommt, wird seinen Eltern per Post eine Mitteilung zugesandt.
Aus Angst bleibt D. am folgenden Tag der Schule fern. Er zieht durch die Stadt und lernt einen etwas älteren Jungen kennen. Dieser gibt ihm bereitwillig Zigaretten.
Die Lehrein ruft beim Vater an, um zu erfragen, warum D. nicht in die Schule kam. Der Vater schlägt D. und droht noch mehr Prügel an, wenn er nicht zur Schule geht und wieder einen Eintrag bekommt. D. erhält erneut wegen fehlender Materialien einen Eintrag und bleibt am nächsten Tag der Schule fern. Er trifft sich mit seinem neuen „Freund“ und wird bei einem Diebstahl erwischt. Er wird zum Vater gebracht. Dieser verprügelt ihn. D. beschließt abzuhauen. Er wird aufgegriffen und in ein Heim eingewiesen.

D. war aufgrund der häuslichen Situation nicht in der Lage, sein Fehlverhalten einzustellen. Die fehlenden Schulmaterialien wurden nicht beschafft und Unterstützung bei der Erledigung der Hausaufgaben erhielt er auch nicht. Er konnte aus seiner Sicht der angedrohten Strafe des Vaters nur durch Fernbleiben entgehen. Der Diebstahl hat die Lage verschlimmert. D. befindet sich in dem Kreislauf –Einträge – Schulaversion – Strafe. Für ihn kommt als Lösung nur Weglaufen in Frage und somit ein erneutes Fehlverhalten.


M.s Geschichte
Ein junger Vater eines jetzt verhaltensauffälligen Schülers berichtete mir aus seiner Kindheit .Er, letztgeborenes von sieben Kindern, wurde mit neun Jahren von seiner Mutter und den Geschwistern getrennt. Die Mutter konnte den häufig schlagenden alkoholabhängigen Mann nicht mehr ertragen und zog mit den sechs älteren Kindern weg. Der Vater kümmerte sich kaum um die Belange seines Sohnes. Weder ausreichend zu essen, noch Kleidung oder Schulmaterialien waren vorhanden. Liebe und Zuwendung waren für das Kind Fremdwörter. Der Vater hatte einen Kuhstall zu betreuen. Häufig musste das sein jüngster Sohn erledigen, vor allem, wenn der Vater betrunken war. Kam er nachts von seinen Zechtouren nach Hause, so zerrte er den Jungen oft aus dem Bett und jagte ihn prügelnd in den Stall. Infolge dessen ging das Kind übermüdet und unvorbereitet in die Schule. Dort hatte man weder die blauen Flecke noch die Unterversorgung des Kindes bemerkt. Der Junge wurde hingegen mehrfach vor der gesamten Klasse bloßgestellt, wie schmutzig er wäre, dass wieder Materialien fehlen und er solle seinem Vater sagen, dass er nicht alles vertrinken soll. Irgendwann fing er dann an die Schule zu schwänzen. Es wurde immer gehäufter. Die Schläge, die er dafür von seinem Vater bekam, waren ihm egal. Es endete damit, dass der Junge eines Tages aus der Schule heraus in ein Heim kam. Persönliche Sachen konnte er nicht mitnehmen, weil er die nicht hatte. In den nächsten Jahren sah er weder Eltern noch Geschwister. Im Heim gab es massiv Probleme. Wegen mehrerer krimineller Vergehen kam er in verschiedene Spezialeinrichtungen und mit sechzehn Jahren wegen schwerer Körperverletzungen in Jugendhaft. Seine erste Frau hatte eine ähnlich schlimme Kindheit durchgemacht. Beide trennten sich während eines erneuten Haftaufenthalts des Mannes. Die zwei inzwischen geborenen Söhne blieben bei der Mutter. Sie lieferte die kleinen Kinder persönlich in einem Heim ab, weil sie sich überfordert fühlte. Kurze Zeit später brachte sie im Alkoholrausch ihren neuen Lebensgefährten um.
 
Der jüngsten der Söhne, M., ist inzwischen mein Schüler. Der Vater hat in einem Hafturlaub eine neue Frau kennen gelernt, die trotz der Vergangenheit eine stabile Beziehung zu ihm aufbaute. Sie heirateten und holten das jüngste der Kinder zu sich. Der ältere Sohn ist wegen massiver Probleme auf Beschluss des Jugendamtes nur an den Wochenenden zuhause.

 
 
M. galt als hyperaktiv und seine Eltern als desinteressiert. An der vorhergehenden Schule galt M im Klassenverband wegen gehäuft extremer Wutanfälle und hoher Aggressivität als nicht mehr beschulbar. Bei uns kam M. zur Ruhe. In Wutanfällen haben wir ihn gehalten. Unter diesen Situationen erfuhren wir von seinem großen Schmerz, dass er nicht verstehen kann, warum seine Mutter ihn ins Heim brachte. Tag für Tag hätte er gewartet, dass sie kommt. Jetzt will er von ihr wissen, warum sie es damals gemacht hatte. Sein Vater hat ihm inzwischen von ihrer Haft erzählt und das sie so alkoholkrank ist, dass sie kaum noch für sich sorgen kann. Trotzdem wollte M. seine Mutter sehen. Nach einem Wutanfall in der Schule hatte ich die Eltern zu einem Gespräch gebeten. Anfänglich begegneten sie mir sehr reserviert, was sich jedoch bald änderte. Von der Sehnsucht ihres Sohnes zur Mutter hatten sie nichts gewusst. Sie hatten bisher aufgrund des Lebenswandels der leiblichen Mutter jeglichen Kontakt abgelehnt. Bei weiteren Treffen berichtet der Vater aufgeschlossen und bereitwillig von seiner Kindheit. Obwohl er früher seine Mutter hasste, hat er inzwischen mit Hilfe seiner Frau zu ihr Kontakt aufgenommen. In den Gesprächen erkennt er Parallelen zwischen seiner Kindheit und der seines Sohnes. Zunehmend entwickelt er Einsicht und Verständnis für die Sehnsüchte seines Sohnes. Das ist die Grundlage für die Zustimmung für eine Begegnung zwischen M. und seiner leiblichen Mutter. Über das Treffen berichtet M. mit Stolz und Trauer. Er erlebt seine sehr kranke Mutter und weiß jetzt, dass sie nicht mehr für ihn sorgen kann, dass sie es nicht macht, weil sie ihn nicht mag, sondern weil sie es nicht besser kann. Diese Sichtweise ist für M. sehr wichtig und seine über Jahre ertragenen Verlustängste erfahren eine Korrektur. M. weiß, wie es seiner Mutter geht und er darf mit dem Wissen der Eltern mit ihr in Kontakt treten. Seine jetzige Mutter berichtet, dass er ihr gegenüber besonders anhänglich erscheint. M. ist froh, eine neue Mama zu haben.Insgesamt ist M. ausgeglichener und in seinen Schulleistungen stabiler geworden. Medikamente nimmt er keine mehr. Inzwischen konnte er in eine normale Regelschulklasse der Förderschule umgesetzt werden.



Unter normalen Entwicklungsbedingungen besteht zwischen dem Kind und dessen Eltern eine feste Bindung, die auch bei Störungen eine normale Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht. Sind diese Bindungen durch anhaltende Beziehungskrisen beeinträchtigt und erfolgt keine Korrektur oder wird gar die Beziehung abgebrochen, so erfährt die Entwicklung der Persönlichkeit eine Störung, in deren Folge es zu unangepasstem Verhalten kommt.
 

In fast allen mir bekannten Fällen wird dann am Kind „agiert“ und nicht am eigentlichen Problem der Beziehungsstörung gearbeitet. Kinder, die durch massiv aggressive Verhaltensweisen auffallen, müssen für ihr nicht mehr tragbares Verhalten „bezahlen“, z.B. mit Schulausschluss, Fremdunterbringung, Wechsel von Einrichtungen u.s.w.. Es wird häufig vergessen, dass das Kind in der Interaktion mit anderen Personen aggressives Verhalten zeigt. Eine Analyse der Konfliktsituationen mit allen Bezugspersonen würde Beziehungsverstrickungen aufzeigen, die erkennen lassen, dass das Kind mit seinem Verhalten auf für ihn nicht anders lösbare Probleme reagiert, sei es aus Unwissenheit, Trotz oder Rache. Da diese Analyse jedoch nicht erfolgt, sondern nur auf das Kind reagiert wird, entwickelt sich dieses immer misstrauischer und destruktiv. Es verfügt über keine Ressourcen, die ein Kind normalerweise in seiner Entwicklung in tragbaren Beziehungen erwirbt.

Diese Ressourcenknappheit lässt den Schluss zu, dass die bestehenden Rahmenbedingungen vom Kind nicht eingehalten werden können, da ihm dazu das entsprechende Rüstzeug fehlt. Je weniger Ressourcen dem Kind zur Verfügung stehen, um so ungewöhnlichere Wege in der Erziehung müssen beschritten werden. Das, was dem Kind seit Jahren versagt wird, nämlich tragbare Beziehungen einzugehen, muss aufgebaut und gefestigt werden. Erst dann kann mit der Erziehung begonnen werden.

 

Eine positive Beziehung kann nicht über die bloße Existenz von Bezugspersonen erreicht werden, sondern sie wird sich nur langsam über intensive, aufrichtige Kontakte in den verschiedensten, vor allem problembehafteten, Situationen entwickeln. Als einen möglichen Weg des Beziehungsaufbaus sehe ich das Halten von Kindern in Konfliktsituationen. In diesem Prozess entsteht eine primäre Bindung, über die sich der Haltende in das Kind hineinversetzt. Man spürt seine Not und Verzweiflung, die sich in Aggression niederschlägt. Das verbale Äußern und das Einfühlen des Haltenden, vermitteln dem Kind, dass man an seiner Not Anteil nimmt. Somit erhält man die Chance, über diesen Konflikt zum Kind in Beziehung treten zu können und aus der Krise kann ein Neuanfang werden.

 
In der Wut Halt geben
     
Mein erster Kontakt des Haltens von Kindern basierte auf der Grundlage, dass ich Kinder mit schwierigem Verhalten über normale Kommunikation nicht erreichte. Ich habe angefangen, in Gesprächen Blick- und Körperkontakt aufzunehmen. Dabei saß ich dicht vor dem Kind und habe meine Hand auf den Arm des Kindes gelegt. Merkte ich, dass mir das Kind während der Unterhaltung mit dem Blick entglitt, so habe ich durch leichten Druck des Armes sofort wieder Aufmerksamkeit gefordert und Blickkontakt des Kindes erhalten.
 
 
 

In einer ähnlichen Situation hatte ich mit einem 10 Jährigen Jungen zu tun, der mir gebracht wurde, weil er wiederholt den Unterricht störte. Die Klassenleiterin sah sich außerstande, den Jungen in der Klasse zu belassen. In der Vergangenheit ist der Schüler häufig vor Unterrichtsende von seiner Mutter aufgrund des Verhaltens abgeholt worden. Ich fand es nicht zumutbar, dass immer die Mutter gerufen wurde und bat die Kollegin mir den Jungen zu bringen, wenn er stört.
Dieser Junge saß mir nun mit zur Seite gewandtem Kopf gegenüber und war wütend, weil ich nicht sofort die Mutter anrief. Als ich meine Hand auf seinen Arm legte und ihn ruhig fragte, wo sein Problem sei, stieß er meine Hand mit den Worten: „Fass mich nicht an, Alte!“ zur Seite und wollte aufspringen. Ich griff fester zu und sagte: „Du bleibst!“ Gleichzeitig drückte ich ihn auf den Stuhl. Im Folgenden stieß und trat er mit den Füßen nach mir und beschimpfte mich mit vulgären Ausdrücken. Dieses Verhalten war mir aus der Vergangenheit bekannt und ich wusste, dass er bisher in solchen Situationen sowohl von der Mutter, als auch von der Klassenlehrerin laufen gelassen wurde. Nach einiger Zeit des “Abreagierens“ kam der Junge dann wieder und er tat kurz, als wenn alles in Ordnung wäre. Leider war während der Wutanfälle manch anderes Kind angegriffen oder Mobiliar beschädigt worden.

 
Ich wollte diesen Jungen nicht laufen lassen und versuchte ihn festzuhalten, damit er mich nicht schlagen und treten konnte. Unter dem Halten wurde der Junge wütender in seinen Beschimpfungen. Ich konnte ihn gut verstehen und sagte es ihm. Auch, dass ich ihn nicht laufen lassen kann, weil ich ihn mag und ich möchte, dass er lernt mit Konflikten umzugehen. Plötzlich fing er an zu weinen und sagte, dass er für sein „Austicken“ nichts kann. Es würde an seinem Vater liegen, der wäre genauso gewesen.
 
 

Deshalb darf er ihn auch nicht besuchen. Ich antwortete, dass ich das gar nicht gewusst habe und dass es mir Leid tut. Weiter sagte ich ihm, dass ich nicht möchte, dass wieder etwas zerstört wird und dass ich ihn deshalb festhalte. Noch auf dem Boden liegend, unterhielten wir uns über seinen Vater und darüber, dass er ihn schon lange nicht besucht hatte. Ich versprach ihm, mit der Mutter über sein Problem zu sprechen.
Wir trafen die Vereinbarung, dass er künftig nicht mehr abgeholt wird und wir uns regelmäßig unterhalten werden. Mich berührte damals sehr, dass er sich plötzlich umdrehte und mich drückte, bevor ich ihn in die Klasse brachte. Mit seiner Mutter sprach ich über das Verhältnis zum Vater. Besuche beim Vater waren danach möglich. Den Jungen habe ich noch öfter in seiner Wut gehalten. Seine Mutter musste ihn jedoch nicht mehr von der Schule abholen. Viele Gespräche mit der Mutter folgten. Sie konnte ihren Sohn besser verstehen und trennte sich von der Vorstellung, dass der Junge die Verhaltensauffälligkeit ererbt hatte. Neben der Verbesserung seines Verhaltens kam es zu Lernfortschritten.
Von der seinerzeit diagnostizierten Hyperaktivität war die Mutter nicht mehr überzeugt. Sie setzte das verordnete Ritalin ab. Inzwischen hat dieser Junge die Schule erfolgreich beendet.

 
 
Meine Erfahrungen mit Hyperaktivität und Psychopharmaka
 

Zur Zeit ist fast explosionsartig die medikamentöse Behandlung von verhaltensauffälligen Kindern mit Psychopharmaka zu beobachten. Psychische Schwierigkeiten der Kinder werden nicht mehr so gedeutet, dass in ihrem Seelenleben etwas nicht stimmt, sondern sie werden mit risikobehafteten Medikamenten behandelt. Eltern sehen sich aus der Pflicht genommen, da ihr Kind „krank“ ist, das belegen ihnen ausgestellte, psychiatrische Gutachten. Hoffnungen, die durch die zeitweise Verhaltensbesserung auch bestärkt wird, legen sie in die Medikamentengabe. Die Seele der Kinder leidet jedoch weiter, denn die eigentlichen Ursachen bleiben bestehen, die „Rebellion“ der Kinder wird medikamentös unterdrückt.
Fast grotesk wirkt es, dass kaum wahrgenommen wird, dass durch die Einnahme von Medikamenten eine wirklich langfristige „Besserung des Verhaltens“ nicht eintritt. Unabsehbar erfolgt häufig eine Umstellung auf andere Psychopharmaka oder eine Erhöhung der Medikamenteneinnahme.
In meiner Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern stelle ich zunehmend fest, dass bei den neu vorgestellten Schülern bereits über Jahre die Probleme anhalten und es zu keiner Verbesserung, sondern eher zu einer Verschlechterung des Verhaltens kam. Das ist nicht verwunderlich, denn die eigentlichen Ursachen, die vor allem im kindlichen Umfeld zu suchen sind, finden nur nachrangig oder wenig Berücksichtigung, obwohl bereits empirische Erkenntnisse belegen, dass kindliche Traumatisierung, vor allem durch fehlende Bindungen oder Bindungsabbrüche, zu Spätfolgen führen.

Feste Bindungsbeziehungen bieten dagegen die Voraussetzung für komplizierte Sozialisationsprozesse. Es werden u. a. Grundlagen für ein späteres Lernen in der Schule gelegt. Wie kann ein Kind jedoch mit Beginn der altersmäßig einsetzenden Schulfähigkeit erfolgreich an Lernprozessen teilnehmen, wenn es bis dahin nicht ausreichend die Möglichkeit erhielt, sein Gehirn lernfähig auszubilden.

 
Bereits in frühster Kindheit erlebte Instabilität in Bindungsbeziehungen und / oder fehlende Grenzsetzung können zu Verhaltensauffälligkeiten führen, die dann später häufig als ADHS diagnostiziert werden. Diesen Kindern fällt es besonders schwer, die Regeln und Normen einzuhalten. Eltern berichten, dass es bereits Schwierigkeiten in den ersten Lebensjahren gab. Während der Kindergartenzeit fiel es ihren Sprösslingen schwer, sich an gelenkten Spielen und Beschäftigungen zu beteiligen. Damit andere Kinder nicht gestört wurden, durften diese Kinder sich anderwärtig beschäftigen, wie z.B. draußen umhertoben.
 
Mit dem Eintritt in die Schule ist dieses Ausweichen nicht mehr möglich. Jetzt wird verlangt, dass sie gleich mehrere Stunden möglichst konzentriert am Unterricht teilnehmen. Zusätzlich treten Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Lernaufgaben auf, weil grundlegende Fertigkeiten nicht entwickelt sind.

Misserfolge ziehen Frustration und Verweigerung nach sich. Für die Kinder beginnt ein Kreislauf, der kaum zu durchbrechen ist. Fundiertes fachliches Wissen der Verhaltensgestörtenpädagogik, ein hohes Maß persönlichen Engagements und Erfahrungen im Umgang mit diesen Kindern sowie liebevolles und konsequente Auftreten sind erforderlich, um diese Schüler erfolgreich beschulen zu können.

 

Ein Großteil der Pädagogen fühlt sich diesen Anforderungen jedoch nicht gewachsen. Der Lehrer sieht sich gehäuft Kindern mit destruktiven Verhaltensweisen gegenüber stehen. Das widerspricht seinem eigentlichen Bild eines in die Schule kommenden Kindes. Pädagogische Fehlentscheidungen werden getroffen und leiten wiederum einen kaum zu durchbrechenden Kreislauf ein, weil unter diesen Voraussetzungen zwischen Lehrer und Schüler keine tragbare Beziehung entstehen kann.
Es erfolgt die Vorstellung beim Psychologen, die jedoch bei vielen Betroffenen keine wirkliche positive Veränderung bewirkt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Es wird wiederum nur am Kind agiert, also das Symptom bekämpft und nicht an den auslösenden Faktoren des Umfelds. Ein von der Scheidung der Eltern betroffenes Kind ist durch den plötzlichen Verlust eines Elternteils in seinem Denken und Handeln beeinträchtigt. Erschwerend wirkt sich eine zueinander feindliche Haltung beider Elternteile aus. Schulische Probleme sind unausweichlich und die psychologische Begleitung wird empfohlen. Im folgenden Prozess wird mit den Eltern nur am Rande gearbeitet (wenn sie es zulassen), obwohl sie die auslösenden Faktoren sind. Ein weiterer Grund besteht im Aufbau der Beziehung zum Psychologen. Häufig liegen die Stunden soweit auseinander, dass das Kind von sich aus keine Beziehung eingeht. So ist es auch nicht bereit, sich gegenüber „fremden“ Person zu öffnen.
Aus meiner Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern weiß ich, dass gerade sie gegenüber Psychologen sehr misstrauisch sind. Ein Psychologe war der erste, der mit ihnen gearbeitet hat. Ist keine Änderung im Verhalten eingetreten, so folgt häufig die Psychiatrie und in schwierigen Fällen (die Mehrzahl der Kinder, mit denen ich arbeite) eine Heimunterbringung. Der anfangs große Hoffnungsträger, der Psychologe, hatte, obwohl zu Beginn der Behandlung verkündet, keinen Erfolg in der Verhaltensänderung gebracht.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig einige Psychologen von dem eigentlichen Schmerz erfahren. So habe ich Jugendliche erlebt, die in ihrer frühsten Kindheit sexuell missbraucht wurden und die sich trotz intensiver psychologischer Betreuung nicht dazu äußerten.

Eine positive Persönlichkeitsentwicklung ist jedoch nur zu erreichen, wenn das wirklich bestehende Problem erkannt und eine korrigierende Neuerfahrung im Entwicklungsprozess eingeleitet wird.

In der jetzigen Zeit ist nicht zu erwarten, dass flächendeckend ein Umdenken in der Gesamtproblematik „Verhaltensauffälliges Kind“ eintritt. So muss, unter Beachtung der bestehenden Situation, in der Institution Schule eine Vorgehensweise gewählt werden, die es ermöglicht, mit diesen Kindern klar zu kommen, ohne, dass sie Medikamente nehmen und ohne, dass sie die Schule verlassen müssen. Das ist ein fast unlösbares Problem, denn es widerspricht der eigentlichen Aufgabe dieser Einrichtung.
Insofern haben Kritiker nach meiner Erfahrung (vor allem Ärzte und Psychologen), Recht, wenn sie diesbezüglich Pädagogen die entsprechenden Kompetenzen absprechen. Haben sie aber auch noch Recht, wenn sie von Unverantwortlichkeit reden, wenn Lehrer nicht bereit sind, mit Ritalin und Risperdal vollgestopften gähnenden Kinder zu stehen, weil es ihren ethischen Ansichten widerspricht? Weil sie sich nicht mit einreihen wollen, in die Reihe der Befürworter von Psychopharmaka, deren Folgeschäden bekannt sind? Ich spreche vor allem von Schäden, die aufgrund fehlender Korrekturen in den Bindungsbeziehungen verfestigt werden.

Nach den Ergebnissen der Pisa-Studie wird der Ruf nach Bildungsreformen immer lauter. Unmotivierte Lehrer, zu große Klassen, fehlendes Geld und politische Kurzsichtigkeit werden für die Miesere verantwortlich gemacht. Die inzwischen große Zahl schwieriger Schüler wird nur am Rand erwähnt, als vermutlich die Schüler, die unter “starren Schulregeln und verständnislosen Lehrern“ nicht genug Berücksichtigung finden. Doch was ist mit den vielen hyperaktiven Kindern, die vor allem die Grundschulklassen füllen? Verfolgt man ihre Entwicklung weiter, so wird ein Großteil von ihnen in den Folgejahren zu Kindern mit massiven Verhaltensauffälligkeiten. Wer muss die Verantwortung dafür übernehmen, diesen Kindern und Jugendlichen zu helfen? Die steigenden Zahlen lassen erkennen, dass bisherige Maßnahmen keine durchgreifende Änderung brachten. Vor Jahrzehnten wurde begonnen, abnormes Verhalten medizinisch abzuklären und zu behandeln. Die eigentliche pädagogische Erziehung trat immer mehr in den Hintergrund. Eltern wurde suggeriert ein krankes Kind zu haben, welches durch die Einnahme von Tabletten das unerwünschte Verhalten korrigieren könne. Die tatsächliche Besserung war lediglich eine Symptombesserung aber keine Änderung des Verhaltens aufgrund in der Kindheit erworbener und erlernter Handlungsmuster, die durch das Bestehen stabiler Bindungsbeziehungen sich hätten entwickeln müssen. Der Erwerb sozialer Kompetenzen und die Selbstverwirklichung sind jedoch Voraussetzungen für das Eingehen und Erhalten von Bindungen. So ist es nicht verwunderlich, dass die verhaltensauffälligen Kinder von damals mit der Erziehung ihrer Kinder heute ebenfalls Probleme haben. Und wieder wird in der Mehrheit nur symptomatisch am schwierigen Kind agiert. Wirkliche Hilfe erfolgt nur, wenn Eltern Unterstützung bei ihrer Erziehungsarbeit erhalten und durch das Weitergeben von erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten von einer Generation in die nächste, wieder die Lernfähigkeit der Kinder, in den Vordergrund rückt.

Die Realität zeigt, dass der Gang zum Psychiater und die Einnahme von Neuroleptika für viele Kinder und deren Eltern etwas Normales sind. Erziehungsschwierigkeiten und Depressionen werden über Jahre medikamentös und psychologisch behandelt. Gespräche mit den Betroffenen ergeben ein ernüchterndes Bild. Sie äußern, dass es zu keiner wesentlichen Verbesserung kam, eher wird festgestellt, dass man Jahre vorher sich nicht „so krank“ fühlte. „Das gesamte Familienleben ist durcheinander.“ „ Man weiß nicht mehr weiter.“ „Insgesamt wird alles schlimmer.“ Diese und ähnliche Äußerungen höre ich von Eltern, deren Kinder zu uns an die Schule kommen. Es sind lange Gespräche, in denen ich anfangs nur zuhöre. Die eigene Kindheit wird geschildert. Die Tiefen der Familiengeschichte und immer wieder die Probleme mit dem Kind.

Mit jeder neuen Verhaltensauffälligkeit wird der Druck des Umfelds auf die Eltern größer. Ich weiß von Lehrern die Eltern auffordern, den Psychologen aufzusuchen um beruhigende Medikamente verschreiben zu lassen, ansonsten wäre eine weitere Beschulung an der Schule kaum möglich.

 
 

Eine Mutter berichtet, dass sie nicht bereit war, ihrem Sohn weiterhin Ritalin zu geben, da vor allem er die Tabletten nicht einnehmen wollte. Beide besprachen, dass sie langsam das Ritalin absetzen, der Junge es aber nicht sagen dürfte, weil die Lehrerin bereits früher bei Fehlverhalten gleich nachfragte, ob die Tabletten eingenommen wurden. Es lief eine ganze Zeit gut, bis der Junge sich gegenüber der Lehrerin versprach. Sie hatte ihn wegen einer guten Arbeit, die er konzentriert erledigte, gelobt. Von dieser Zeit an bekam der Junge wieder Einträge wegen Verhaltens- und Konzentrationsschwächen. Die Lehrerin bat die Mutter das Ritalin wieder zu geben, da ihr Sohn immer größere Lernschwierigkeiten hätte. Darauf bedankte sich die Mutter für den Hinweis und teilte mit, dass der Junge wieder die Tabletten einnimmt. In Wirklichkeit ließ sie weiterhin das Ritalin weg. Ihr Sohn versprach künftig aufzupassen, dass er sich nicht mehr verspricht. Die Einträge blieben fern, was für den Jungen bedeutete, dass von ihm Druck genommen wurde und er ruhiger lernen konnte. Dadurch ist insgesamt eine tatsächliche Leistungssteigerung eingetreten, die motivierend sich positiv auf das Verhalten auswirkte.

 

Wie subjektiv Verhalten von Kindern und Jugendlichen gewertet werden kann, zeigt das genannte Beispiel. Nur das Wissen um die Einnahme von Psychopharmaka reicht zunächst aus, ein Kind als nicht so schwierig einzustufen. Die Lehrerin setzt also voraus, dass die Medikamente auch das Verhalten steuern.

 
Was muss heute Schule leisten, um diesen Kindern gerecht zu werden?
 
 
Das Halten von Kindern und Jugendlichen mit aggressivem Verhalten im Schulalltag
 
Erst über eine vertrauensvolle Beziehungen zum Kind wird Erziehung möglich. Dazu gehört die vorbehaltlose Annahme des Kindes und der Eltern. Beziehung wird das Kind nur zulassen, wenn der Lehrer „das wahre Ich“ des Kindes erkennt, mit all seinen Nöten und Ängsten, mit seiner Verzweiflung und den vorhandenen positiven Potentialen. Das schafft der Lehrer nur, wenn er bereit ist, den Beziehungsaufbau vordergründig, vor seinen Lehrauftrag zu stellen.
 

Dazu benötigt er die institutionelle Unterstützung ihm übergeordneter Gremien. D. h., Lehrer, die bereit sind mit diesen Kindern zu arbeiten, müssen autorisiert werden, neue Wege beschreiten zu dürfen. Seit fünf Jahren widme ich mich diesen schwierigen Kindern und konnte inzwischen bei vielen eine nachweislich positive Veränderung ihres Verhaltens miterleben. Trotzdem wird meine Arbeit durch fehlende konstruktive Zusammenarbeit und Voreingenommenheit anderer Institutionen und durch das Verhaften an alten Strukturen sehr erschwert. Durch die folgenden Ausführungen möchte ich erreichen, dass das Halten von Kindern und Jugendlichen an der Schule Anerkennung erfährt und als eine Möglichkeit gesehen wird, diesen Kindern zu helfen. Die systemische Betrachtungsweise der Familien ist genauso unerlässlich, wie das Aufbrechen alter, verkrusteter Schulstrukturen und die damit einhergehende Sensibilisierung von Lehrern für die Problematik.

 
 
Ich arbeite in einer Spezialklasse mit Kindern und Jugendlichen verschiedener Altersstufen, unter flexiblen Rahmenbedingungen. In dieser Klasse erfolgt die Beschulung stark schülerorientiert. Die Kinder werden von zwei Lehrkräften beschult. Um Frustration am Lerngegenstand auszuschließen, müssen Über- und Unterforderungen vermieden werden, was über differenzierte Lernaufgaben umgesetzt wird. Jedes neu eingewiesene Kind demonstriert Ablehnung und ist scheinbar stark gestresst.
 
Bereits in dieser Phase gebe ich Verständnis für die Situation und sage es auch, denn es ist für das Kind unangenehm wiederholt in ein neues Umfeld eingewiesen zu werden.. Wir vereinbaren, dass er/sie sich am ersten Tag als „Zuschauer“ in der Klasse aufhält und erst mal mitbekommt, wie der Schulalltag abläuft. Es wird freigestellt, wie weit mitgearbeitet wird. Die Pausen müssen nicht auf dem Schulhof verbracht werden, was anfangs dankbar von neuen Schülern angenommen wird. Kurz vor Unterrichtsschluss wird im gemeinsamen Gespräch das weitere Vorgehen besprochen. Es ist äußerst wichtig, dass getroffene Absprachen von allen Lehrkräften eingehalten werden. So habe ich einmal erlebt, wie ein Kollege im Laufe des Tage immer wieder den Kontakt zu einem neuen Jungen suchte und ihn ermunterte, doch bei ganz leichten Aufgaben mitzuarbeiten.
Dieser reagierte zunächst mit gespielter Widerwilligkeit, indem er den Kopf zur Seite drehte. Nach erneuter, gutgemeinter Aufforderung mischte sich eine Mitschülerin ein. Im vulgären Tonfall forderte sie ihn auf, endlich mitzuarbeiten. Da stürzte der Junge äußerst aggressiv auf das Mädchen zu und konnte gerade noch rechtzeitig durch Festhalten gehindert werden, das Mädchen zu schlagen. Außer sich vor Wut schlug er um sich, doch er hatte keine Chance der Entklammerung des Kollegen zu entfliehen. Der Junge schrie Beleidigungen gegen die Mitschüler und gegen uns Haltende.
 

Wir ließen ihn seine Wut herausschreien. Plötzlich fing er an zu weinen und ich sagte ihm, dass ich seine Wut verstehen kann, denn wir hatten ja eine Absprache, die von uns nicht eingehalten wurde. Sein erstaunter Blick zeigte mir, wie ihn mein Schuldbekenntnis beeindruckte. Während ich redete, streichelte ich leicht über seine Wange, was der Junge gut mit sich geschehen ließ. Im weiteren Verlauf erzählte er von seinen bisherigen Heimaufenthalten, dass er sich in den Städten umhergetrieben hätte und nicht mehr zur Schule gegangen sei. Sichtlich erleichtert reagierte er, als ich ihm auf sein Nachfragen sagte, dass er mit keiner Bestrafung zu rechnen hätte. Anfangs habe ich diesen Jungen im Laufe seiner noch öfter gehalten. Inzwischen ist er gut integriert und hatte bisher keine Fehltage. Meine Erfahrungen sind, dass neue Schüler zunächst abwartend das Umfeld abchecken und am ersten Tag kaum auffällig werden. Es ist sehr wichtig, dass sie sich einen ersten Eindruck verschaffen können, bevor gemeinsam Vereinbarungen getroffen werden. Im Gespräch werden dann Regeln besprochen.

Sind Eckpunkte gesetzt, weise ich darauf hin, dass diese konsequent einzuhalten sind. Diese Vereinbarungen beinhalten z. B., dass jede versäumte Unterrichtsstunde nachgeholt werden muss. Lernaufgaben werden besprochen und erst dann bearbeitet. Ihre Erfüllung ist nach der Absprache jedoch zwingend. Etwaige Sanktionen bei Nichteinhaltung werden besprochen und auch die Meinung dazu eingeholt. Dieses erste Kennenlerngespräch gibt den Schülern Orientierung und zeigt klare Grenzen auf. Beide Seiten gehen erst auseinander, wenn die Rahmenbedingungen im gegenseitigen Einvernehmen anerkannt werden.

 
 
Oft unvorhersehbar und plötzlich entstehen Konflikte in den unterschiedlichsten Situationen. Ein häufiges Problem ist die verbale Beleidigung eines Schülers, die dieser dann mit körperlicher Aggression ahnden will. Bei Nichteingreifen oder Bagatellisierung, führt es zu erheblichen Störungen und / oder zu Verletzungen. Wird der Konflikt nicht gänzlich bereinigt, kommt es zu Racheaktionen, in denen andere Kinder als “Helfer“ involviert werden.
 
Noch Tage später können Folgekonflikte auftreten. Ein dauerhafte Lösung des Vorfalls ist durch schnelles Reagieren und durch Festhalten des Schlagenden zu erreichen. Hat er noch keine Erfahrung, so versucht er sich mit großer Wut zu lösen. Wenn er merkt, dass er es nicht schafft, beschimpft er die Haltenden und das „Opfer“. Ist die erste große Wut vorbei, zeigen sich Verzweiflung und seelischer Schmerz. In dieser Phase des Weines benötigt das Kind Gehör und Verständnis. Es ist nicht selten, dass Probleme angesprochen werden, die mit der eigentlichen Akutsituation nichts zu tun haben. Sie geben aber Aufschluss über die eigentliche Befindlichkeit des Kindes, über seine Ängste und Nöte. Die Anteilnahme am Schmerz ist ein erster Schritt für eine tragbare Beziehung. Ist ein Kind schon öfter gehalten worden, reagiert es bereits auf erste Ansätze des Festhaltens. Die Zeit reichte aus, sein Verhalten durch erlernte Handlungsstrategien zu korrigieren.
 
Sehr häufig erlebe ich bei Heimkindern, dass ein erneuter Heimwechsel meistens eine weite räumliche Trennung vom Elternhaus bedeutet. Aufgrund vorangegangener Verstöße ist ein Besuch der Eltern bis auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Begründet wird diese Entscheidung der Heime mit der Eingewöhnungszeit. Auch Kinder und Jugendliche aus völlig verwahrlosten Familien brauchen den elterlichen Kontakt und leiden unter langer Trennung.
 

Immer wieder erlebe ich, dass scheinbar „hartgesottene“ Jungen unter dem Festhalten verzweifelt weinen, weil sie unsagbare Sehnsucht nach den Eltern haben. Oft genügt es, hierfür Verständnis zu zeigen. Völlig falsch erscheint es mir, wenn den betroffenen Kindern gesagt wird, dass sie durch ihr eigenes Verhalten es soweit gebracht hätten. Durch diese Aussage wird keine Perspektive gesetzt, sondern aus Sicht des Kindes ein nicht tragbarer schmerzvoller Istzustand aufgezeigt. In dieser Ausweglosigkeit wird alles egal.
Gute Erfahrungen habe ich mit Heimkindern gemacht, bei denen im Vorfeld in gemeinsamen Absprachen mit den Eltern und den Kindern feste Heimfahrten getroffen werden. Ein sehr wichtiger Aspekt ist mir, dass Fehlverhalten im Heim und in der Schule nicht benutzt werden sollten, Heimfahrten einzuschränken. Meine Meinung stößt bei einigen Vertretern der Ämter, Heime und auch bei Psychologen auf Unverständnis. Ich kann gut verstehen, dass bei schwierigen Kindern die Heimfahrten ein guter Anreiz sein können, sich angepasst zu verhalten. Das möchte ich auch nicht in Frage stellen, doch ich gebe zu bedenken, dass diese Kinder aufgrund ihrer fehlenden Ressourcen zu Fehlverhalten „vorprogrammiert“ sind und es sich als schwierig gestaltet, zu erkennen, welches Vergehen ausreicht, nicht nach Hause fahren zu dürfen. Meine Erfahrungen sind, dass das weder Erzieher und schon gar nicht die betroffenen Kinder im Vorfeld genau wissen. Es sind uneindeutige Grenzen und eine verwaschene Orientierung, die aber gerade für diese Kinder eindeutig und klar dargestellt sein müssen, denn nur so können sie diese erfassen und danach handeln. Ich habe sehr häufig im Festhalten erlebt, dass mich Kinder anflehten, nichts den Erziehern vom Wutanfall zu erzählen, da sie Angst hätten, nicht wie geplant nach Hause fahren zu dürfen.

Besonders tragisch sind Vorfälle, wenn Kinder wissen, dass sie nicht fahren dürfen und es zu Äußerungen kommt, dass jetzt sowieso alles egal wäre. Im Nachhinein gibt sich so manches Kind auf und es kommt zu einer Kette von Fehlverhalten. Hier sehe ich entscheidenden Handlungsbedarf im Umgang mit diesen Kindern und Jugendlichen. Aus meiner Sicht ist es ein Vergehen, die Kinder, die bisher wenig Liebe erfahren haben, mit Liebesentzug zu bestrafen.
 
Es darf auch nicht vergessen werden, was den Eltern angetan wird, denn diese sind am eigentlichen Konflikt nicht beteiligt, aber auch ihnen wird die Liebe zu ihrem Kind untersagt. Zudem ist es entmündigend, als sorgeberechtigte Eltern ohne Mitsprache die getroffene Entscheidungen hinzunehmen. Eltern wandten sich an mich, mit der Bitte ihnen zu helfen, dass ihr Kind sie regelmäßig in festen Zeitababständen besucht. Sie sind über das Fehlverhalten ihres Kindes entsetzt, wissen aber auch, dass nur der kleinste Anlass genügt, dass es „ausrastet“. Für einige Kinder ist deshalb zunächst jede Fahrt nach Hause in Frag gestellt. Wenn ich mich diesem Punkt so stark widme, dann deshalb, weil ich hier eine restriktive Maßnahme sehe, die zur Verschärfung aggressiven Verhaltens entscheidend beiträgt. Ich werde oft darauf hingewiesen, dass es fast nur diese Maßnahme sei, die von noch schlimmere Fehlverhalten fernhält. Es mag sein, doch es geschieht nur auf Druck und nicht als Folge einer positiven Persönlichkeitsentwicklung.

In der Arbeit mit diesen stark belasteten Kindern und Jugendlichen sehe ich es als unumgänglich, auf jedes fehlerhafte Problemlösungsverhalten sofort zu reagieren. Das heißt, dass andere Dinge zunächst zurückgestellt werden. Für den Ort Schule würde das bedeuten, dass die Konfliktbearbeitung vor dem Unterricht steht. Nur so ist überhaupt stressfreies Lernen möglich. Nun bin ich des öfteren mit der Aussage konfrontiert worden, dass Kinder sehr schnell verleitet werden könnten, vor dem Unterricht besonders auffällig zu sein, um so dem Unterricht aus dem Weg zu gehen.

 
Das kann ich verneinen. Ich erlebe eher umgekehrt, dass diese Schüler es genießen wieder Anerkennung zu erfahren. Sie bekommen wieder Spaß am Lernen, was der regelmäßige Schulbesuch und die guten Lernergebnisse belegen.
 
Nun zu alltäglichen Beispielen, die verdeutlichen sollen wie ich in Zusammenarbeit mit meinen Kollegen in plötzlich auftretenden Konfliktsituationen reagiere. Grundvoraussetzungen sind ein fester Personenkreis und genaue Absprachen über Handlungsschritte und Maßnahmen. Die Handlungsabläufe sind in der Interaktion im Groben bekannt, damit wir, aber auch die involvierten Kinder und Jugendlichen wissen, was geschieht. Das Bedrohliche wird dadurch genommen. Vor allem wird das Gefühl gegeben, dass über Wiedergutmachung ein Lösungsansatz vorhanden ist. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen mögliche Konsequenz ihres Fehlverhaltens kennen. Ansonsten kann es schnell zu einer Überreaktion, wie Weglaufen oder die Zunahme von Aggressivität, kommen. Ich beobachte auch sehr häufig, dass innerhalb eines Konflikts hinzueilende Erwachsene vorschnell verurteilend über den scheinbaren „Täter“ herfallen und das „Opfer“ trösten.
Nicht selten geschieht es dann, dass sich die Wut des „Täters“ bis zum völligen Wahnsinn steigert und er zerstörerisch um sich schlägt. In Gesprächen wird später deutlich, dass der „Täter“ im Vorfeld provoziert wurde und er nur über einen tätlichen Angriff auf das „Opfer“, für sich eine Lösung sah. Wird er sofort verurteilt, fühlt er sich missverstanden, was ihn in seiner Annahme “Mich mag keiner. Ich habe sowieso immer Schuld.“ bestärkt. Eine Beziehung kann so nicht aufgebaut werden, sondern sie wird aufgrund fehlenden Verständnisses zerstört.
 

Ich muss leider immer wieder erleben, dass gerade diese Erwachsenen dann ausgesuchte „Racheopfer“ werden. Es macht sich dringend erforderlich, immer Opfer und Täter anzuhören. Oft zeigt sich ein völlig anderes Bild, als es vorher den Anschein hatte.

 
 

Fallbeispiel 3
Das folgende Beispiel zeigt die Verstrickung von Täter und Opfer

M. ist 14 Jahre alt und fühlt sich durch den 11 Jährigen S. gestört, weil dieser wiederholt Darmwinde ablässt. Der Aufforderung auf die Toilette zu gehen, kommt S. nicht nach, weil er seiner Meinung nach das momentan nicht braucht. M. wird wütend und droht, wenn S. damit nicht aufhört, würde er ihm „Eine rein hauen“. S. provoziert daraufhin ein lautes Geräusch mit dem Mund und schaut M. grinsend an. Bevor wir S. ermahnen können, stürzt M. auf S. und will zuschlagen. Wir halten M. fest. Dieser schlägt wild um sich. Mit geübten Griffen legen wir den tobenden M., ohne große Gegenwehr, auf den Boden und halten ihn an den Armen fest. Wütend brüllt er seine Wut gegen S. und auch gegen uns heraus. Leicht beruhigend versuche ich auf M. einzureden. Ich sage ihm, dass ich seine Wut verstehen kann. Es war von S. gemein, ihn derart zu provozieren. Ebenso gebe ich auch mein Verständnis für die Wut gegen uns. Es ist jetzt unangenehm auf dem Boden zu liegen und festgehalten zu werden. Ich sage zu M., dass wir das jetzt machen, weil wir ihn gern haben und wir nicht möchten, dass er Ärger bekommt, wenn er auf S. einschlägt. M. fängt an, sich zu beruhigen. Er äußert noch mal ganz klar, dass er sich durch S. stark gestört fühlte. (S. sitzt betreten auf seinem Platz und schaut uns zu.) Noch auf dem Boden liegend wird besprochen, wie es weiter gehen soll. M. sagt, dass er möchte, dass S. mit der Provokation aufhören soll. Ich frage M., ob er für sich einschätzen kann, dass er jetzt aufstehen kann, ohne über S. herzufallen.

 

Dieser nickt und sieht mich an und besiegelt das Versprechen mit Handschlag. Gemeinsam stehen sich nun M. und S. gegenüber. S. entschuldigt sich mit Handschlag und Blickkontakt bei M.. Ich frage M., ob es ausreicht und er wirklich, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt, über S. herfällt. M. bejaht und S. sagt, dass er ihm das glaubt.

 
   
 
Fallbeispiel 4
J. ist 13 Jahre alt und von kräftiger Statur. Er nimmt seit Jahren atypische Psychopharmaka ein. Bevor ich mit ihm zu tun hatte, war er bereits in mehreren Heimen und Schulen. Allein im ersten Schuljahr war er an vier verschiedenen Einrichtungen. Seine Intelligenz wurde laut mehrerer psychologischer und sonderpädagogischer Gutachten im Bereich der niedrigen Intelligenz eingestuft.

Alle Schüler (10) arbeiten, auch J.. Plötzlich schreit J. auf und brüllt; „Diesen Scheiß mach ich nicht!“ Im gleichen Moment stößt er den Schülertisch mit den Schulmaterialien um. Bevor er den Stuhl wegstoßen kann, sind mein Kollege und ich bei ihm und halten ihn fest. Er wird von uns auf den Boden gelegt und gehalten. Er lässt sich mit Beschimpfungen über uns aus und droht uns umzubringen. Er fängt an zu weinen und ruft, dass er nach Hause will. Ich sage ihm, dass ich das gut verstehen kann. Doch dieser Wutanfall wird nichts an der Situation ändern, zeigt er doch, wie schnell ihn etwas „rasend“ macht. J. schreit, dass er dafür nichts kann, denn die Aufgaben wären zu schwer. Ich erinnere ihn daran, dass ich ihm geholfen hätte, wenn ich das gewusst hätte. Darauf fragt J., ob ich jetzt auch noch helfe. Ich stimme dem zu und lege aber fest, dass ich nicht nur bei ihm sitze, sondern die Aufgaben erneut erkläre und dann auch für die anderen Kinder da sein werde. Mit Handschlag besiegelt J. das Versprechen. Wir umarmen uns und J. stellt fest, dass es ihm jetzt besser geht. Nach einer kurzen Erklärung hat J. selbständig gerechnet. Zu einem späteren Zeitpunkt sprechen wir über die Beschimpfungen und Drohungen. J. nimmt diese zurück und bittet um Entschuldigung.
 

Das Beispiel zeigt, wie schnell heftige Wutanfälle auftreten können. Trotzdem sollten sie nicht überbewertet werden. Derartige Vorfälle haben jedoch für so manches Kind zum Schulausschluss oder Schulwechsel geführt. Eine Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung wird dadurch jedoch nicht erreicht. Da diese Formen des Fehlverhaltens bereits nach kurzer Zeit in neuen Einrichtungen auftreten, erhält das Kind keine Chance, eine Beziehung eingehen zu können. Ohne Hilfe wird es nicht in der Lage sein, positive Handlungsstrategien aufzubauen. Nur durch das gemeinsame Erleben der Persönlichkeit dieses Jungen wird es gelingen, positive Potentiale zu erkennen und freizusetzen.

Inzwischen ist J. zwei Jahre an unserer Einrichtung. Wutausbrüche gehören der Vergangenheit an. Er verfügt über gute schulische Leistungen. Zur Zeit besucht J. eine normale Regelschulklasse und wird für die Aufnahme in die Hauptschulklasse vorbereitet.

 
Voraussetzungen für das Halten
 
Das Halten von älteren Kindern und Jugendlichen kann nicht in jeder Situation und nicht von jedem Lehrer oder Erzieher uneingeschränkt ausgeführt werden. Von Seiten der Lehrkraft muss ein hohes Maß an Verständnis für diese Kinder und deren Familien vorhanden sein. Sie muss Nähe zulassen können und körperlich zum Halten in der Lage sein. Sie hat nicht das Recht des Überlegenen und nicht das Recht des Gefügigmachens. Das Halten dient ausschließlich dem Beziehungsaufbau.
 

In Halteprozessen ist es erforderlich, dass die Lehrkraft den gegen sie gerichteten Hass ohne Rache erträgt. Bereits im Vorfeld werden aufgrund hoher Sensibilität mögliche Konfliktpotentiale durch rechtzeitiges Wahrnehmen entschärft. Die Lehrkraft hat Wissen über Familienstrukturen und über eventuell bestehende systemische Verstrickungen. Sie hat Kenntnis über das außerschulische Umfeld und ist bereit mit anderen Institutionen eng zusammenzuarbeiten.
Der Haltende ist sich im Klaren darüber, dass in Wutsituationen die Selbststeuerung bei den Kindern nicht gegeben ist und keine Handlungsregulierung erfolgt. Handelt er unüberlegt, dann setzt er sich selbst einer Gefahr aus. In Sekundenschnelle muss die Situation eingeschätzt werden. Wird Einhalt durch Halten gegeben, so ist es unabdingbar, dass immer mindestens zwei Erwachsene zugegen sind. Dabei agiert ein Haltender nur zur haltenden Unterstützung. Das Gespräch wird nur von einem geführt. In einem gut funktionierenden Team gelingt das ohne große Absprachen.

Egal, was zur Konfliktsituation geführt hat, es darf nicht das Kind oder der Jugendliche unter dem Halten beschimpft, beleidigt oder körperlich gezüchtigt werden. Das Halten dient zunächst ausschließlich dem Setzen einer Grenze, um Schlagen, Zerstören oder Weglaufen zu verhindern. Aus Enttäuschung, nicht seinem augenblicklichen Bedürfnis nachkommen zu können, macht es den Festgehaltenen noch wütender. Mit großer körperlicher Anstrengung und mit vulgären Beschimpfungen lässt er seine Wut heraus. Das ist für den gesamten Halteprozess wichtig, denn so können angestaute Wut, Schmerz und Enttäuschung herausgelassen werden.

 
Der Haltende muss wissen, dass er die Beleidigungen und Beschimpfungen in Vertretung nicht anwesender Personen entgegennimmt. Er ist häufig der „Blitzableiter“, für Geschehenes aus der Vergangenheit. Er darf sich nicht verleiten lassen, zurück zu schimpfen. Er muss Verständnis für die Wut aufbringen und dem Festgehaltenen sagen, dass er ihn festhält, weil er ihn mag und nicht möchte, dass er jemand mit seiner Wut Schaden zufügt. Dadurch wird Ärger verhindert. Nie darf ein Halteprozess abgebrochen oder beendet werden, ohne dass beide, Haltender und Festgehaltener eine freundliche Beziehung eingehen. Der Haltende hält solange, wie der Festgehaltene sich in Wut, Schmerz oder Verzweiflung befindet. Er gibt für die Zeit nach dem Halten klare, aber freundlich gesprochene Anweisungen. Dabei ist der Blickkontakt zu halten. Der Festgehaltene äußert sich dazu, inwieweit er darauf eingehen kann.

Erst wenn eine akzeptable Annäherung erreicht wird, lässt der Haltende den Festgehaltenen los. Man steht sich gegenüber und nimmt noch einmal Blickkontakt auf. Meine Erfahrungen sind, dass dann vom Festgehaltenen das Bedürfnis ausgeht, in den Arm genommen zu werden. Das ist eine schöne Geste der gewonnen inneren Zufriedenheit, die unbedingt erwidert werden sollte.
Anmerkung: Ich werde sehr häufig von ehemals gehaltenen Kindern und Jugendlichen morgens mit einem: „In den Arm nehmen und sich drücken“, begrüßt. Für mich ist es Zeugnis einer vertrauensvollen Beziehung.

 
 
 

Wie Kinder Halten erleben, zeigt das Beispiel von P.:
P. lebt im Heim und nimmt seit Monaten Ritalin. Seine Mutter besucht er etwa alle sechs Wochen. Telefonate finden wöchentlich statt. Insgesamt ist P. sehr aggressiv, wenn er seinen Willen nicht bekommt. In der Schule entstand der Eindruck, dass P.s Schulleistungen seit der Einnahme von Ritalin nachgelassen haben und er noch auffälliger geworden ist. In einem Gespräch teile ich der Mutter mit, dass P. nicht wegen der Schule Ritalin einnehmen muss. Wir würden jedes Ausschleichen des Medikaments unterstützen. Die Mutter spricht in ihrer Wohnortnähe in einer psychiatrischen Einrichtung vor und erwirkt eine Klinikaufnahme. In der Einrichtung versucht P. bereits zu Beginn seinen Willen nach seinen Vorstellungen durchzusetzen.
Während eines Wutanfalls wird er in ein eigens dafür vorgesehenes Zimmer gebracht und in einem Bett festgeschnallt. P berichtet: „Sie haben mich allein gelassen und ich habe Angst bekommen, dass sie mich nicht mehr los machen. Ich habe ganz laut geschrieen, aber niemand hat mich gehört. Dann kamen sie und haben gefragt, ob ich jetzt vernünftig werde. Ich habe“Ja“ gesagt. Dann haben sie mich wieder los geschnallt und ich musste in mein Zimmer gehen. Nach einer ganzen Weilen kamen sie und haben gesagt, dass sie mich wieder anschnallen, wenn ich nicht vernünftig bin. Wenn ihr mich gehalten hattet, war es anders. Ich konnte mich bewegen und ihr habt mit mir erzählt. Hinterher war immer alles OK!“
Nach dem Psychiatrieaufenthalt wurde der Mutter gesagt, dass sie verlangen soll, dass wir in Wutanfällen P. nicht mehr halten. Auf meine Frage, was wir machen sollen, wenn er in seiner Wut um sich schlägt, denn ich lehne Anschnallen ab, antwortete sie, dass P. auf neue Medikamente eingestellt worden wäre und es unter diesen zu keinen Wutanfälle kommen wird. P. bekommt jetzt drei mal täglich Risperdal. Er sitzt mehr apathisch auf seinem Stuhl und kann kaum noch dem Unterricht folgen. Oft läuft aus seinem Mund unkontrolliert Speichel. Schulische Anforderungen kann er auch in Ansätzen kaum erfüllen. Immer wieder muss er zur Mitarbeit aufgefordert werden. P. ist ein sehr ruhiges Kind geworden. Doch er ist nicht mehr er selbst!

 
Protokoll eines Halteprozesses
Vorbemerkung:

Marie ist ein körperlich stark entwickeltes Mädchen. Sie lebt mit ihrer Mutter allein. Die drei älteren Geschwister sind bereits aus dem Haus. Zum Vater besteht ein liebevolles Verhältnis. Beide Elternteile fühlen sich verantwortlich und können wichtige Fragen Maries betreffend einvernehmlich lösen. Die ersten großen Probleme traten mit der Einschulung auf. Sehr häufig musste die Mutter ihre Tochter wegen schwierigen Verhaltens vorzeitig aus der Schule holen. Es folgten Schulwechsel und Einweisungen in verschiedene Psychiatrien. Marie hatte mehrfach Erwachsene tätlich angegriffen und verletzt. Im ärztlichen Gutachten wird die nachfolgende Diagnose gestellt: „Nicht gruppenfähig, massiv eigen- und fremdgefährdet. Sie stellt für sie umgebenden Personen eine Gefahr dar. Eine Unterbringung innerhalb einer geschlossenen Einrichtung ist dringend angeraten.“
Es wurde ein richterlichen Beschluss erwirkt, der das zeitweise Fixieren erlaubte. Marie nahm verschiedene Medikamente zur Ruhigstellung ein. Seit drei Jahren ist Marie in meiner Einrichtung und ist seither mehrfach von mir gehalten worden.
Sie lebte in einem Heim und durfte alle 4-6 Wochen nach Hause fahren. Ihr Verhalten im Heim hatte Einfluss auf ihre Heimfahrten. Inzwischen lebt Marie in einer Pflegefamilie und fährt jedes Wochenende und in den Ferien nach Hause. Sie nimmt am gesamten Unterricht teil und wird zur Zeit mit 13 weiteren Kindern in einer Hauptschulklasse beschult. Sie ist eine ehrgeizige Schülerin.
Trotz anfänglich sehr niedriger Frustrationstoleranz, kann sie inzwischen mit Konflikten umgehen und Regeln und Normen einhalten.
 
Oktober 2000

M. kommt missgestimmt in die Schule. Sie begrüßt uns nicht und zieht ihre Jacke nicht aus. Die Schulmaterialien bleiben in der Tasche. Ich nehme die Tasche und halte sie ihr mit der Aufforderung, die Sachen heraus zu holen, hin.
 

M: „Klar ab und lass mich in Ruhe!“

Ich: „Wir wollen beginnen und dazu brauchst du deine Sachen. Wir können uns auch unterhalten, warum du so wütend bist.“

M: „ Nö!“ Reißt mir die Tasche aus der Hand und dreht sich von mir weg.
Meine Kollegin kommt langsam näher und beobachtet uns. Alle anderen Kinder verhalten sich leise und sind auf ihren Plätzen.

Ich: Lege meine Hand auf M.` s Schulter . „Lass uns reden, was los ist.“

M: „Klar mich nicht an!“ Schlägt nach mir.

Ich: „Du schlägst mich nicht!“

     

Gleichzeitig nehme ich M. an den Oberarmen. M. versucht mich zu beißen und mich zu treten. Ihre Fingernägel schneiden in meine Finger. Mit Unterstützung meiner Kollegin überwältigen wir M.. Ich liege auf M. und halte sie an den Armen fest. Außer sich vor Wut beschimpft sie mich mit obszönen Wörtern. Ich gehe nicht darauf ein und halte sie zunächst unter großen Anstrengungen fest. Immer wieder versucht sie zu beißen und mit ihren Fingernägeln zu kratzen. Ihre Augen sind fest zugekniffen. M. weint vor Wut und Verzweiflung. Wir sind beide völlig nassgeschwitzt.
 
Ich kann M. gut halten, so dass meine Kollegin den anderen Kindern die Lernaufgaben geben kann. Sie lassen sich von dem was mit M. geschieht nicht beeinflussen und arbeiten weiter. (Sie kennen das, z. T. aus eigener Erfahrung) Nach etwa 35 Minuten werden M,s Beschimpfungen konkreter.
 

 

M. „Du bist genauso ein Schwein wie die Erzieher. Du willst auch nicht, dass ich meine Mutter besuchen darf. Ihr seid Lügner! Erst sagt ihr, dass ich öfter nach Hause fahren darf, wenn ich besser werde und nun darf ich doch nicht.“ Beginnt verzweifelt zu weinen. Der Kopf ist zur Seite gedreht.
     

Ich: „Das tut mir ganz doll leid. Ich weiß, dass du deine Mama ganz lieb hast und dass du öfter bei ihr sein möchtest. Ich kann dir den Vorschlag machen, dass ich mit den Erziehern und dem Jugendamt spreche. Du hattest so lange keine Wutanfälle. Eigentlich hast du schon gut gelernt über deine Probleme zu sprechen. Das würde ich Herrn R. und I. sagen.“

 
 

M: „Ich darf trotzdem nicht nach Hause fahren.“

Ich: „Lass mich erst mit den Erziehern und dem Jugendamt reden!“

M: „Die hören sowieso nicht auf dich! Die machen doch was sie wollen. Wenn die erfahren, dass ich ausgerastet bin, darf ich sowieso nicht fahren. “

Inzwischen habe ich den Arm losgelassen und streichle mit einer Hand über die Wange. M. weint, lässt das Streicheln mit sich geschehen, schaut aber noch zur Seite. Meine Kollegin beobachtet uns, ohne dass M. etwas davon mitbekommt.

Ich: „Das hier ist unsere Sache. Ich bin stolz auf dich. Du hast niemanden verletzt. Kein Möbelstück ist kaputt und der Notarzt (Wurde öfter vom Heim aus gerufen) musste auch nicht kommen. Wir haben das gut gepackt.“

Ein Schüler sagt plötzlich: „Das ist doch gut M.!“ Meine Kollegin beugt sich über uns und streichelt M. und sagt zu ihr: „Das schaffen wir, M.!“

M. schaut mich an. Ich nehme sie in den Arm. Sie weint sich aus und ich spreche ihr tröstend zu.

Ich: „ Du wäscht jetzt dein Gesicht! Danach nimmst du deine Schulsachen heraus und beginnst zu arbeiten und in der Pause versuche ich das Jugendamt anzurufen. Heute Nachmittag rufe ich deine Erzieherin an. Ist das Ok?“

M.: nickt „Was erzählst du wegen jetzt?“

 

Ich: „Ich sage, dass wir eine Auseinandersetzung hatten, weil du ganz traurig bist, weil du so selten zu deiner Mama kannst. Und dass ich glaube, dass es gut wäre, wenn du öfter fahren könntest. Ich werde sagen, dass wir die Auseinandersetzung gut in Griff bekommen haben.

Ich nehme M. in den Arm und schaue sie fest an.

Ich: „M., ich weiß nicht, ob ich etwas erreiche. Das darf trotzdem kein Grund sein, dass du dann wieder ausrastest.“

M: leise „Ja“

Wir stehen auf, schauen uns an und nehmen uns in die Arme. Die Kollegin kommt dazu. M. schließt sie ebenfalls in ihre Arme. Sie geht sich das verweinte Gesicht waschen, begibt sich zum Platz und beginnt zu arbeiten.

Ich rufe das Jugendamt und Heimerzieher an. Wenn auch mit Vorbehalt, wird eine baldige Heimfahrt in Betracht gezogen.
 
 

Nachbemerkung:
Bis Ende Dezember gab es keine Wutanfälle. Nach einem erneuten Zwischenfall im Heim ist die Beziehung völlig kaputt gewesen. Marie kam im Januar 2001 in ein neues Heim. Man erklärte sich bereit, sie in Wutanfällen zu halten. Monatelang gab es keine Zwischenfälle. Kleine Konflikte traten wegen unregelmäßiger Heimfahrten und aufgrund von Probleme mit einem Mitbewohner, der Marie als Konkurrentin ansah, auf. Eine von Marie gemochte Erzieherin verließ das Heim. Zwischen der neuen Erzieherin und Marie gab es Spannungen. In einer Auseinandersetzung mit dem Mitbewohner verletzte Marie die Erzieherin. Sie wurde erneut in die Psychiatrie zwangseingewiesen und ist wegen heftiger Wutausbrüche angeschnallt worden. Dem Jugendamt wurde mitgeteilt, dass Marie an einer hirnorganischen Störung leidet. Die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung ist erneut dringend angeraten worden. Die Mutter traf in diesem Moment die richtige Entscheidung, indem sie an ihrer Tochter glaubte und sie aus dem Heim nahm. Sie hatte Glück, dass der zuständige Sozialarbeiter des Jugendamtes einer Unterbringung in einer Pflegefamilie zustimmte. Seit dieser Zeit (inzwischen zwei Jahre) gab es keine Wutanfälle, obwohl Marie zeitgleich keine psychologische Betreuung erhielt und auch keine Psychopharmaka mehr einnahm. Heute ist sie eine fleißige und aufgeschlossene Schülerin.

In der Schule ist Marie während einer Auseinandersetzung mit einem Schüler, den ich in seinem Wutanfall gehalten habe, dazu gekommen. Nachdem mich der Junge vulgär beschimpfte, weil ich ihn hielt, sagte Marie zu ihm: „Sei froh, dass dich Frau Schmid hält, sonst hättest du vielleicht jemandem weh getan. Ich wollte früher auch nicht, dass sie mich hält. Jetzt finde ich das gut. Dadurch raste ich nicht mehr aus.“
Am nächsten Tag erzählte mir der Heimerzieher des Jungen, dass dort ein Kind im Heim völlig „ausgerastet“ wäre. Der Junge, den ich am Vormittag gehalten hatte, sagte zum Erzieher: „Halte ihn fest! Das hilft. Das hat bei mir heute auch geholfen.“

 
 
Resümee
Ich werde immer wieder mit der Aussage konfrontiert, dass ich auf die gehaltenen Kinder und Jugendlichen Gewalt ausübe. Dem widerspreche ich eindeutig: Wenn Worte diese Kinder nicht mehr erreichen, dann setze ich unter Beachtung der Würde durch das Festhalten eine Grenze. Ich verhindere durch Halten und Halt geben, dass diese Kinder gewalttätig werden. Ich ertrage ihre Wut, teile ihren Schmerz, unterbreite Lösungsansätze und begleite sie im Beschreiten neuer Wege.
 

Es ist nachweislich eine feste, tragbare Beziehung entstanden, die auch Störungen stand hält. Niemand geht eine Beziehung ein, wenn auf ihn Gewalt ausgeübt wird.

 
Inzwischen kann ich aufzeigen, dass bei allen gehaltenen Kindern, eine positive Persönlichkeitsentwicklung zu verzeichnen ist. Neben einer sichtbaren Verbesserung des Verhaltens ist ein Anstieg der Schulleistungen zu verzeichnen. Alle Kinder sind in Klassen integriert und nehmen ohne Fehltage am gesamten Unterricht teil. Nur selten wird es notwendig, wie zu Beginn, ein Kinder zu halten, denn inzwischen haben sie Handlungsstrategien zur Steuerung ihres Verhaltens erworben.
 

Die gehaltenen Kinder und Jugendlichen sind bereit, neue Wege zu beschreiten. Es wird jedoch notwendig sein, dass sie auch weiterhin Hilfe und Unterstützung aus ihrer unmittelbaren Umgebung erhalten. Für eine dauerhafte, stabile, positive Persönlichkeitsentwicklung ist es erforderlich, dass neben allen Erziehungsträgern auch Institutionen bereit sein müssen, an sich zu arbeiten, neue Wege zu beschreiten (Eigentlich ganz alte.). An den Kindern wird und wurde genug agiert. Es ist nicht wahr, dass wir mehr verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche haben, sondern es gibt immer mehr Erwachsene, die diese Kinder nur noch über den Kopf wahr nehmen. Dagegen wehren sich unsere Kinder. Wir, die Erwachsenen, müssen wieder lernen, sie über unsere Herzenswärme zu erreichen. Doch die kann ich nur geben, wenn ich selbst Liebe und Herzlichkeit erlebe und erfahre. In der heutigen Gesellschaft ist das keine Selbstverständlichkeit, sondern wird oft belächelt oder gar als Hemmnis abgetan. Was zählt, sind Fakten und Erfolge. Das herzliche Miteinander ist verkümmert. Es kostet Mut, Geduld und Zuversicht, es neu aufzubauen, zu pflegen und zu erhalten. Es ist dennoch möglich und lohnenswert.

 

Die inzwischen fast 15 Jährige M. sagt heute: „Gut, dass du mich gehalten hast, sonst wäre ich vielleicht mal ganz schlimm geworden!“
Anmerkung: Ein Jahr später
Marie 16 Jahre hat den Hauptschulabschluss mit guten und sehr guten Noten erreicht. Sie befindet sich im Berufsvorbereitungsjahr, mit dem Ziel, eine Ausbildung als Köchin zu beginnen.




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